• Bewusst Leben,  Sarines Stade

    Vom Wünschen und Verstehen

    1:33h – Aufgewacht dank Jetlag. Normalerweise hätte ich es mir verboten, den Computer anzuschalten – macht doch nur noch wacher. Aber ich habe mir für dieses Jahr vor allem eines vorgenommen: ich möchte es mir leicht machen. So oft wie möglich. Und jetzt gerade ist es leicht, hier zu sitzen und zu schreiben, also … Das ist eine Lehre, die ich immer wieder im Rückblick auf mein Leben ziehe. Die Momente, in denen ich gelitten habe, sind allesamt Momente, in denen ich mir das Leben selber schwer gemacht habe.

    In der Vergangenheit war diese Erkenntnis oft ein Vorwurf an mich selber. Jetzt empfinde ich sie nur noch als Erleichterung. Sie bedeutet nämlich, dass wenn ich den leichten Weg wähle, anstatt mich mal wieder durch irgendetwas durchzubeißen, werde ich irgendwann zurückblicken können und sehen: gut gemacht. Ich habe mir das Leben ja auch in der Vergangenheit nicht nur schwer gemacht.

    Job gekündigt, Haus gefunden – was passiert, wenn man der Herzensstimme folgt

    Ich kann inzwischen auf genug Leben zurückblicken, um zu sehen, dass ich zu beidem fähig bin, zum Misstrauen und zum blinden Vertrauen in meine Herzensstimme. Ich möchte wie gesagt öfter den leichten Weg wählen – de Weg des Vertrauens. So wie damals, als ich meinen Job kündigte, weil ich in mir die Gewissheit spürte, dass ich den loslassen müsste, damit das Haus auf dem Land, was Peter und ich uns damals so wünschten, kommen könnte. Und tatsächlich kam es auch so: erst kam das Haus. Wir bekamen den Kredit dafür sogar obwohl wir beide zu dem Zeitpunkt noch arbeitslos waren. So etwas erlebt man, wenn man dieses blinde Vertrauen in die Herzensstimme hat.

    Fühlen und verstehen – beides ist wichtig

    Eine Sache, die ich durch die Reise über mich erfahren habe ist, dass ich immer beides brauche – fühlen und verstehen. Das Gefühl ist immer am Anfang, es ist eigentlich ein Wunsch. Der Hintergrund dieses Wunsches ist meist nicht sofort offensichtlich und der Verstand will ihn ergründen. Dazu gibt es zwei Wege – entweder wir finden heraus, warum der Wunsch recht hatte, indem wir ihm blind vertrauen und folgen. Oder wir finden im Umkehrschluss heraus, warum er recht hatte, indem wir ihm misstrauen und ihm nicht folgen.

    Der Weg des Misstrauens fängt im kleinen an, bei scheinbar unbedeutenden Entscheidungen. Wenn wir ihm lange genug folgen, stellt er uns dann vor die großen Weggabelungen, wo die Konsequenzen der verschiedenen Alternativen einfach überdeutlich werden.

    Es ist eine Sache, unglücklich in einer Beziehung zu sein, solange ich nicht verstehe, dass die Beziehung ein beitragender Faktor für dieses Unglücklichsein ist. Es ist eine Sache, zu reisen, solange ich nicht verstehe, was es bedeutet, dass ich ständig plötzlich vom Heimweh gepackt werde und an jedem schönen Ort, den ich entdecke, immer wieder nur der Gedanke kommt „Das ist ja alles schön – aber es ist nicht Sundsvall“. Es ist immer eine andere Sache, sobald sich mein Bewusstsein verändert hat. Da trenne ich mich dann ganz plötzlich oder lasse ein Flugticket nach Chile verfallen. Weil es quasi gar nicht mehr anders geht. Nicht, weil die Stimme im Kopf nicht mehr da ist. Ganz im Gegenteil.

    Der Herzensstimme folgst du nicht, weil die Stimme im Kopf verschwunden ist – du machst es einfach trotzdem

    Die sagt natürlich „Ja, aber wie sieht das denn aus, wenn du dich trennst – ihr habt doch gerade erst geheiratet!?“ Die sagt „Wie sieht das denn aus, wenn du deine Reise abbrichst?!“ Die sagt „Wie sieht das denn aus, wenn du sagst, du willst nach Sundsvall zurück!?“ Und die Stimme hat natürlich auch Antwort parat, auf ihre Frage, wie das wohl alles aussieht: nämlich total bescheuert. Als ob ich nicht wüsste, was ich wollte. Als ob ich übereilte Entscheidungen treffe, zu denen ich dann nicht stehen kann – weil sie eben total übereilt und idiotisch waren.

    Das ist der Moment, in dem ich plötzlich tiefe Gewissheit habe: ich tue genau das Richtige. Ich spüre, wie richtig meine Entscheidung ist, und dass es total egal ist, wie das alles für andere aussehen mag (das weiß ich ja letztlich gar nicht, ganz abgesehen davon, dass es mich nichts angeht, was andere über mich denken). Da spüre ich ganz deutlich, dass es total verrückt und bescheuert wäre, eine andere Entscheidung zu fällen – nur, damit es irgendwie „besser“ aussieht oder für andere nachvollziehbarer wird. Ich weiß, dass man sein Leben sehr wohl nach diesem Aspekt gestalten kann Und ich kann’s verstehen, denn wie gesagt, auch ich bin nicht frei von der Stimme, die fragt, wie das denn aussieht … Umso dankbarer bin ich, dass ich mich von ihr nicht abschrecken lasse.

    Die Frage ist nicht, ob du Erkenntnis gewinnst sondern wie

    Jetzt, wo ich verstanden habe, dass es mir immer um das Verstehen geht und vor allem: dass das auch so sein darf, habe ich eine andere Ausgangslage. Mir ist durch die Reise klar geworden, dass ich in allem, was ich tue, Erkenntnisse gewinne. Dass es nicht darum geht, ob ich herausfinde, warum ich mir etwas wünsche, sondern wie. Dass ich mich entscheiden kann, herauszufinden, warum es sich lohnt dem Wunsch, der Herzensstimme zu folgen oder eben nachzuforschen, warum mein Misstrauen gegen die Alternative berechtigt war. Das Ergebnis steht ja schon vorher fest: die Herzensstimme hat Recht. Die Gründe dafür werden im Nachhinein geliefert.

    Da ist die größte Herausforderung für mich, erstmal zu checken, wenn ich gerade mal wieder der Stimme aus dem Kopf folge, die wieder irgendeine Meinung darüber hat, was geht oder was nicht. Vielleicht kennst du ja auch diesen inneren Dialog:

    Wunsch: „Ach, das wäre toll, wenn ich xy machen/haben könnte“
    Kopf: „Ja, aber das geht nicht, weil *irgendein logisch klingender Grund*. Du könntest stattdessen *irgendetwas anderes* machen/haben. Das ist auch gut.“
    Wunsch *hat dem Kopf kein Argument entgegenzusetzen, weil er nicht logisch ist und verwelkt innerlich wie eine Blume*: „OK“

    Meiner Beobachtung nach erweisen sich die ganzen Kopfgründe in der Realität entweder als überwindlich (oft sogar leichter als gedacht) oder nicht existent. Zum Beispiel: Als ich in Frankfurt am Flughafen ankam, stellte ich fest, dass die Gepäcktrollys nicht mehr gratis waren. Fand ich doof und ging ganz automatisch genervt zum Gepäckband. Ich spürte schon das Gewicht von meinem Rucksack auf den Schultern, als mir plötzlich der Gedanke kam: du hast nicht mal nachgeschaut, was denn die Gebühr ist. Der halsabschneiderische Automat wollte doch tatsächlich die unverschämte Summe von sage und schreibe … einem Euro.

    Das Leben besteht zum Hauptteil nicht aus den großen sondern aus den ganz kleinen Entscheidungen

    Ich treffe nicht jeden Tag die Entscheidung, meinen Job zu kündigen um ein Haus zu finden, lasse mich nicht ständig scheiden, lasse nicht andauernd Flugtickets verfallen. Der Hauptanteil des Lebens besteht aus diesen ganzen kleinen Momenten, wo wir ganz unspektakulär mit unserem Rucksack dastehen – und trotzdem wählen können. Wir können uns die 20kg aufschnallen und auf irgendwelchen schrulligen Prinzipen nach Hause reiten oder wir können uns überlegen, wie wir’s denn gerne hätten und zuschauen, wie es möglich wird.

    In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein Jahr voller Leichtigkeit und Freude. Ich wünsche uns, dass wir der Herzensstimme immer mehr im Kleinen vertrauen, damit sie uns nicht im Großen gegen die Wand zu stellen braucht.

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  • Bewusst Leben,  Sarines Reisen

    Über Vorstellungskraft

    English

    Manchmal wünsche ich mir Dinge, und mir wird erst später bewusst, was dieser Wunsch eigentlich bedeutet. Ich werde mir dessen bewusst, wenn ich seine Erfüllung erfahre.

    Wie jetzt auf dieser Reise: Ich erlebe ständig, dass sich meine Wünsche erfüllen, und wie ihre Erfüllung sich in gewisser Weise von dem unterscheidet, was ich mir vorgestellt habe, und gleichzeitig genau das ist, was ich mir gewünscht habe.

    Das Baumhaus der Erkenntnis

    Ich hatte heute einen solchen Moment, als Friedas Verlobter Jason mir die Entstehungsgeschichte seines Baumhauses erzählte. Ich erinnerte mich plötzlich daran, wie ich vor meiner Reise eine Art Wunschliste geschrieben hatte, mit Orten, die ich besuchen wollte, was ich sehen und erleben wollte. Auf dieser Wunschliste stand ein Baumhaus, eines von einer ganz bestimmten Person, deshalb erkannte ich dieses Baumhaus nicht sofort als das Baumhaus von meiner Wunschliste. Aber als ich hörte, wie Jason über sein Baumhaus sprach und erkannte, wie gut durchdacht jedes Detail daran ist, dass dies wirklich die Manifestation einer großen Vision ist, erinnerte ich mich plötzlich daran, dass ich das Baumhaus auf meiner Wunschliste genau so so wahrgenommen hatte. Mir ging auf, dass mich eben das so fasziniert hatte, dass es der Grund, warum ich unbedingt dieses besondere Baumhaus sehen wollte. In diesem Sinne wurde mir mein Wunsch erfüllt, auch wenn ich nicht dieses Baumhaus sah und nicht die Erbauerin aus meiner Visualisierung traf.

    Wir bekommen was wir uns vorstellen

    Meiner Erfahrung nach funktionieren Wunsch und Visualisierung genau so: Wir bekommen buchstäblich das, was wir uns wünschen, was wir uns vorstellen. Nicht buchstäblich in dem Sinne, dass es in Übereinstimmung mit den Worten ist, die wir verwenden, sondern etwas, das dem Gefühl entspricht, das die Visualisierung in uns hervorruft. Deshalb brauche ich manchmal eine Weile, um zu erkennen, dass das, was ich gerade erlebe, genau das ist, was ich mir gewünscht habe.

    So ist es bei jeder Station meiner Reise bisher gewesen – nach außen sahen sie alle anders aus als ich es mir vorher vorgestellt hatte, aber das Gefühl war das gleiche wie in meinen Visualisierungen. Je detaillierter ich mir vorstellte, was ich wollte, desto stärker war die Ähnlichkeit.

    Seit ich das verstanden habe, überprüfe ich manchmal in Gedanken, was aus den Dingen geworden ist, die ich mir vorgestellt und gewünscht habe. Und ich bin zu diesem Zeitpunkt erstaunt darüber, dass es immer weniger Zeit braucht, bis meine visualisierten Wünsche wahr werden – und dass jede Abweichung von dem, was ich wirklich will, immer daran liegt, dass ich ein Detail in der Visualisierung oder der Beschreibung meines Wunsches versäumt habe.

    Es ist unsere eingeschränkte Sicht, die uns daran hindert zu sehen, dass alles in Übereinstimmung mit dem großen Ganzen ist

    Gleichzeitig kann ich sehen, dass hier auch eine tiefere Weisheit am Werk ist. Auch wenn die Abweichungen mich für einen Moment enttäuschen, wenn ich merke: „Oh, ich habe vergessen, das genau zu sagen, deshalb ist es so geworden“, stellt sich immer heraus, dass die Art und Weise, wie sich die Dinge entwickeln, genau richtig ist. Dass sie in Übereinstimmung mit dem Gesamtbild sind. Dass es nur meine beschränkte Perspektive aus dem Augenblick heraus ist, die mich daran hindert, das zu sehen.

    Tue ich das Richtige?

    Ich habe mir früher viel mehr Gedanken darüber gemacht, ob ich „das Richtige“ mache. Ich hatte ständig das Gefühl, dass ich mein Potenzial nicht ausschöpfte, dass ich etwas falsch machte, weil ich nicht besser war als ich war. Als ich begriffen habe, dass es ein größeres Bild gibt, dass wir mit einem bestimmten Plan in unser Leben kommen, und dass, auch wenn es Spielraum für Variationen in den Details gibt, es nicht möglich ist, in dem Sinne „zu versagen“, dass wir unseren Plan nicht erfüllen. Als ich das begriff, tröstete ich mich „Entweder war es richtig oder nicht so wichtig“, wenn ich mir mal wieder Sorgen machte, „das Falsche“ zu tun.

    Was, wenn unsere „verzeihlichen Fehler“ nichtmal Fehler sind?

    Auch darüber bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher. Was, wenn es noch besser ist? Was, wenn die Dinge, die ich für verzeihliche Fehler gehalten habe, nicht einmal Fehler sind? Was ist, wenn alles genau so ist, wie es richtig ist – und zwar ständig? Was, wenn es nur meine eingeschränkte Sicht auf Dinge ist, die mich daran hindert, das zu sehen und ich mir deshalb einbilde, etwas ginge schief? Denn ich erlebe mehr und mehr, dass mein Leben, wie es sich gestaltet, genau richtig ist, selbst wenn ich beim Wünschen und Visualisieren meiner Zukunft bestimmte Details vergesse. Dass alles, was ich erlebe und erhalte erweist sich stets als genau das, was ich in Bezug auf das große Ganze brauche.