„Was, wenn niemand kommt?“ – Mit Absagen umgehen lernen
Am Wochenende habe ich meinen Geburtstag mit einer Freundin nachgefeiert. Das war so nicht geplant – es gab einfach jede Menge Absagen. Früher wäre das für mich schlimm gewesen. Aber die Wahrheit ist: Ich bin jemand, der sich am liebsten einzeln mit Menschen trifft, da ich mich in Gruppen schnell reizüberflutet fühle. Jedenfalls im privaten Zusammenhang – wenn ich eine Aufgabe habe, wie einen Workshop anleiten, dann fällt es mir leicht zu sehen, wo meine Aufmerksamkeit gerade hingehört. (:
Jedes Jahr an meinem Geburtstag habe ich also ein wenig gemischte Gefühle, wenn ich mir die Frage stelle, möchte ich feiern und Menschen dazu einladen. Was dann häufig passiert ist folgendes: ich schiebe die Entscheidung vor mir her und schicke recht spontan Einladungen. Nicht aus Selbstsabotage, in der Hoffnung, dass dann niemand kommt. Aber manchmal passiert dann natürlich genau das. Und dann denke ich, dass ich mir fürs nächste Jahr vielleicht einfach mal merken sollte, dass ich doch lieber Menschen einzeln treffe und es dementsprechend planen. …
Vielleicht gelingt es mir ja nächstes Jahr. Gestern musste ich jedenfalls daran zurück denken, wie ich einmal meinen Geburtstag feierte, als ich noch in Schweden gelebt habe – und ich damals sehr enttäuscht war, dass mehrere Freundinnen, die ich eingeladen hatte, mir Absagen erteilten. Damals hat meine Freundin La etwas sehr kluges zu mir gesagt: „Ja, das ist jetzt die Frage: bist du enttäuscht über die, die nicht gekommen sind, oder freust du dich über die, die tatsächlich da sind?“ Dieser Perspektivwechsel war sehr heilsam für mich.
Es ist ganz oft eine neue Sicht auf die Dinge, eine neue Information, ein neues Verständnis, die in uns etwas verändern und uns dann auch anders handeln lassen. Denn so funktioniert Entwicklung: viele Denk- und Handlungsmuster lassen sich erst verändern, wenn wir erkennen, welche Annahmen/Vorstellungen/welches Wissen dem bisherigen Muster zugrunde liegen. Es braucht diese Erkenntnis, dass unser Wissen oft eben kein unumstößliches Naturgesetz ist, sondern eine Perspektive.
Das öffnet uns für das Bewusstsein, dass eine andere Perspektive möglich ist. Logischerweise können wir uns erst für eine neue Perspektive entscheiden, wenn wir erkannt haben, dass es sich bei etwas, von dem wir bis dahin dachten „Na, das ist eben so!“ überhaupt um eine Frage der Perspektive handelt. Diese Erkenntnis zuzulassen ist tatsächlich oftmals der schwierigste Schritt. Denn oft hängen wir an einer Perspektive und sie infrage zu stellen kann unter Umständen auch bedeuten, dass noch weitere Überzeugungen, die damit zusammen hängen, plötzlich nicht mehr „sicher“ sind.
Das Schöne ist, dass die Veränderung, die wir uns wünschen, die aber schwer oder sogar unmöglich ist, solange wir an einer bestimmten Perspektive festhängen, ganz leicht gehen kann, sobald wir uns für eine neue Perspektive geöffnet haben.
Denn Handeln oder Denken nach einem Muster, das ja auf einer bestimmten Perspektive beruht, ist gar nicht mehr möglich, wenn sich die Perspektive geändert hat.
Aber dieser Perspektivwechsel bedeutet nicht nur, dass die Freude die Enttäuschung überwiegt. Wenn ich die Dinge so betrachte, kann ich gar nicht mehr die Bedeutung in die Abwesenheit legen. Ich denke dann, dass es für beide Seiten zu diesem Zeitpunkt etwas anderes gibt, was die tatsächliche Anwesenheit erfordert.
So bin ich seit jenem Satz von La nie mehr enttäuscht gewesen, wenn auf eine Verabredung oder Einladung hin Absagen als Antwort kamen. Zum einen, weil weil dieser Perspektivwechsel in mir eine Wertschätzung ausgelöst hat für die Begegnung, die tatsächlich stattfindet. Es ist bedeutsam, wem ich begegne und wer mir begegnet.
Wenn der Fokus umgekehrt ist, ist die Verletzung vorbestimmt. Denn aus dieser Perspektive versucht man Bedeutung in dem zu finden, was nicht statfindet. Aus dieser Betrachtungsweise gibt es ja eigentlich nur die Möglichkeit, es als Abwertung zu interpretieren. Und gleichzeitig wertet man selbst durch diesen Fokus die Begegnung ab, die tatsächlich stattfindet. Man ist eben damit beschäftigt, sich über die zu grämen, die nicht da sind und übersieht dabei diejenigen, die vor einem stehen.
Wie geht es Dir damit? Teile Dich gerne unten auf der Seite in den Kommentaren mit.
Alles Liebe,
Sarine
PS: Dieses Beispiel veranschaulicht übrigens ganz gut, was „Fülle(denken)“ und „Mangel(denken)“ sind und wie sie wirken. Oft beschäftigen wir uns mit diesen beiden im Zusammenhang mit Geld (was ja auch verständlich ist). Aber Fülle und Mangel sind Prinzipien, die sich eben nicht nur finanziell ausdrücken, sondern in allen Lebensbereichen. Zum Beispiel, wenn wir Absagen erhalten. Nicht nur am Geburtstag. 😉
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